Schöpfung als utopische Erinnerung, Versöhnung als Begrenzung der Gewalt, Vollendung als das Ende des Kampfes ums Dasein

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Die Woltersburger Mühle, Bibel-Kongress Neuschöpfung, 26. – 28. August 2022

Impuls Rinse Reeling Brouwer

  1. Eine utopische Erinnerung der Schöpfung und ihrer (jedenfalls teilweise) Zerstörung

Innerhalb des Buches bereschit (Im Anfang) beziehen sichdie beiden (Sub-)Perikopen im 1. und 9. Kapitel, in denen es um Segen und Nahrung des Menschen geht, aufeinander. Vor der Erschaffung der Menschen gab es schon Kraut und Baum (Gen. 1,11-12; dritter Tag), Fische und Vögel (Gen. 1,20.21.22; fünfter Tag) und ‚alles Lebendige, das auf Erden sich regt‘ (Herdentier, Kriechgerede und das Wildlebende; Gen. 1,24,25; sechster Tag). Die Menschen können über all dieses Volk ‚schalten‘ (Gen. 1,26.28 über das klassisch so genannten dominium terrae werden wir zweifellos in diesen Tagen wohl reden; jetzt bemerke ich: nur ‚die großen Ungetüme‘ behält Gott offenbarsich selbst vor; Gen. 1,21a). Dabei sind den Menschen von Gott ‚alles samensäende Kraut‘ und ‚alljeder Baum‘ zum Essen gegeben (Gen. 1,29), denn diese (Kräter und Bäume) haben die Kapazität, ‚Samen zu samen‘ und ‚Frucht zu machen‘ (Gen. 1,12): Ertrag des Ackers und Frucht des Gartens, Brot und Wein also. Für alles Lebendige auf der Erde (nicht im Meer) gibt es das grüne Kraut – für beide Entitäten, Tier und Mensch, ist die Diät also vegetarisch. So kann hier der Wolf beim Lamm gasten, wie der Prophet sagt (Jes. 11,6; 65,25). Damit ist das Lied am Anfang keine platte Beschreibung der bestehenden Wirklichkeit, sondern eine rückwärts gewandte Utopie; und diese schildert eine Wirklichkeit die ‚sehr gut‘ ist (Gen. 1,31).

Nach der Flut aber, ist die Lage anders. Die Gewalt war riesig, und die Folgen dieser Gewalt sind nicht vorüber, wenn der gerechte Noach mit seiner Familie aus dem Kasten zieht (Gen. 8,18.19). Wie können die Menschen noch essen, wenn der Acker nicht bebaut ist und der Garten keine Frucht gibt? Jetzt ist ‚alles Rege, das lebt‘ (Gen. 9,3), den Menschen zum Essen gegeben, auch das grüne Kraut (Gen. 9,3), das im Anfang nicht für sie bestimmt war (Gen. 1,30). Kein Wunder, dass jetzt ‚eure Furcht und eure Schrecken auf allem Wildlebenden der Erde und allem Vogel des Himmels sei‘ (Gen. 9,2): die Tiere haben Grund, die Menschheit zu fürchten, und dann auch umgekehrt. Die Gewalt herrscht gegenseitig im Tierreich, und die Menschen schlachten jetzt Tiere. In dieser Weise ist die Utopie zerstört – jedenfalls teilweise; ich bin nämlich nicht sicher, ob wir ermächtigt sind zu sagen, die ganze Schöpfung sei, wie die früh-christliche und die jüdisch-kabbalistische Gnosis lehrten, durch einen eigenen ‚Fall‘ geprägt, aber sie leidet sicherlich an den Folgen des Falles. Mein wichtigster Grund zu dieser Zurückhaltung ist: das Lied Im Anfang singt zwar von der Perspektive Elohims her, aber können wir Menschen darüber entscheiden, wie Elohim sich selbst zu den nicht-menschlichen Geschöpfen verhält, und wie sie sich zu Elohim verhalten?

Vielsagend zur Zerstörung der Utopie ist die Genesisparaphrase im pseudepigraphischen Henoch-Buch (vermutlich vom Anfang des 2. Jahrhunderts v.u.Z., in Äthiopischem überliefert).

Der Bibeltext Genesis 6,4 ist karg: aus dem Umgang der Gottessöhne und der Menschentöchter werden niphilim geboren, wie die gigantes des griechischen Mythos. Henoch erzählt von ihnen: erst eignen sie sich die Arbeit Anderer an; wenn sie nichts mehr davon bekommen können (Hen. 7,3), fressen sie die Menschen selbst (Hen. 7,4); wenn diese nicht mehr da sind, fressen sie alle Arten der vierten bis zu den sechsten Schöpfungstagen; und letztlich, nach diesem Kahlschlag, fressen sie einander (Hen. 7,5). Da klagte die Erde wider die Unholde (Hen. 7,6) In dieser ökologischen Katastrophe (eines ‚Proto-Anthropocens’, könnte man sagen) ist von der vegetarischen Urzeit offenbar nichts mehr bewahrt, und ist der Flut unvermeidlich.

[1-a] Systematische Methodik.

In diesem Sommer erschien von Mårten Björk The Politics of Immortality in Barth, Rosenzweig and [Oskar] Goldberg. Theology and Resistance 1914-1945 (Bloomsbury). In diesem Buch –untersucht der Autor, wie die genannten Denker die Kategorien der Unsterblichkeit und der Ewigkeit gegen die sozialdarwinistischen Tendenzen der (vom Nazismus geprägten) Zeit operabel machen. Dabei handelt es sich nicht nur um die darwinistische Ideologie im sozialen Bereich, die unverkennbar die evolutionären Entdeckungen Darwins missbraucht(e), sondern zuletzt sicherlich auch um Darwins Entdeckung des struggle for life als ein in der Entwicklung aller Lebensformen mitgegebenen Kraft, an welcher der Entdecker selbst als Erster schwer gelitten hat.Zu Karl Barth sagt Björk, dass er zwar mit dem (von Darwin bewunderten) Feuerbach betont, dass menschliches Leben von allen anderen Leben abhängig ist, aber bestreitet – was nach Feuerbach die Religion als solche, und namentlich das Christentum immer bestreitet, weil sie vom Versuch lebt, der Natur zu entfliehen –, dass diese Abhängigkeit ewiglich einen Kampf ums Dasein impliziert.  Denn es ist eben dieses abhängige Leben, das nach dem biblischen Zeugnis vom Tode erlöst werden wird – das heißt: vom gewalttätigen Tod, der in der Schrift überall herrscht, nicht von der am Rande der Bibel gegebenen Möglichkeit eines friedlichen Sterbens, ‚alt und satt‘ (Gen. 25:8 usw.). Nach Hans Ehrenberg, von Barth zitiert, war Feuerbach ein ‚Nicht-kenner des Todes‘[das heißt: des gewalttätigen Todes als ‚letzter Feind‘ (1 Kor. 15, 26)], aber können wir das nicht von Allen sagen, die den Feuerbachschen Naturalismus als letzte Wahrheit gelten lassen?Die vegetarische Saga in Gen. 1,29-30 besagt nach Barth, wie den Menschen im Prinzip gerade ‚keine Herrschaft über Leben und Tod gegeben ist‘, und sie zeigt damit, dass bei der Eröffnung der Schrift die Natur eine Versprechung in sich trägt (Kirchliche Dogmatik III/1, 1945, 161, 235).

Ich bemerke dazu, dass Barth seit der Tambacher Vortrag von 1919 das Gottesreich von drei Perspektive her skizziert: regnum naturae, regnum gratiae, regnum gloriae, oder später, (in der Kirchlichen Dogmatik): Schöpfung, Versöhnung, Vollendung. Von der Vollendung sagt Barth in seinem Vortrag für die christliche Studenten-Vereinigung zu Aarburg (09-06-1919), der für ihn als eine Vorarbeit zum Tambacher Vortrag im Herbst desselben Jahres funktionierte, u.a.: ‚Es stehen der Vervollkommnung der jetzigen Verhältnissen Schranken entgegen, die nur Gott selbst brechen kann. Gott aber wird sie brechen. Der Tod wird nicht mehr sein (Apk. 21,4). Der Kampf ums Dasein auch nicht‘ (Vorträge 1914-1921, S. 511). Diese drei Perspektive strukturieren jetzt auch meinen Impuls. Mit diejenige der Schöpfung bin ich angefangen, und es folgt jetzt die Perspektive der Versöhnung.

  • Eine Begrenzung der Gewalt: halachisches Handeln in der Perspektive der Versöhnung

Wie am Anfang die Menschen, so empfangen auch Noach, seine Söhne und Töchtern den göttlichen Segen; sie können die Erde wieder füllen (Gen. 9,1). Das Blutvergießen ist jetzt unvermeidlich geworden, aber die Gefahr, dass die Gewalt pervertiert in einen Blutdurst ist damit immer akut. Deshalb hören wir zweimal ‚k: ‚doch, jedoch‘.[Gen. 9:4.5]:

Das erste ‚doch‘ beinhaltet ein Gebot zur Begrenzung der Gewalt: ,Fleisch mit seiner Seele, seinem Blut sollt ihr nicht essen‘ (Gen. 9,4): das pulsierende Blut soll man vermeiden, um immer wieder an die Gefahr sinnlosen  Mordes erinnert zu werden. Das zweite ‚jedoch‘ besagt apodiktisch, dass Gott zwar auch das Blut von der Hand der jetzt existierenden räuberischen Wildlebenden heimfordern will (welcher Mensch aber, wie ich schon fragte, kann im Urteil zwischen Gott und diesen Geschöpfen treten?), aber dass er das sicherlich tun wird von der Hand des Menschen, der seinen Bruder ermordet (Gen. 9,5; vergl. Gen. 4). Denn, so heißt es, chiastisch und im Reim: ‚Wer Blut des Menschen vergießt / durch den Menschen werde vergossen sein Blut / denn im Bilde Gotte hat er den Menschen gemacht‘ (Gen. 9,6) – man kann also den Ausdruck des ‚Bildes Gottes‘ vom Lied am Anfang auch als eine Perspektive, eine kritische Instanz und einen Auftrag von der Erfahrung des Unrechts in der Flutgeschichte her verstehen.

Es war für die Nahrungsversorgung nach der Flut nötig, dass Noach in den Kasten, neben den je zwei von jedem Getier, das nicht rein ist (Getier, das sich selbst wohl neu verbreiten konnte auf der Erde), auch je sieben und sieben von den reinen Tieren, und dann auch je sieben und sieben von den Vögeln des Himmels mitnehmen sollte (Gen. 7,2.3). Die reinen Tiere sind die Tiere, die man nach der Katastrophe schlachten kann zum gemeinsamen Essen. Aber Noach schlachtet sie auch auf dem Schlachtstatt zur ‚Darhöhung‘, aus Dankbarkeit für die Rettung aus der Flut, und von Gott mit Wohlgefallen angenommen (Gen. 8.20.21). Auf dieser Weise ist es klar, dass die sogenannten Opfer zur Ordnung der Versöhnung gehören.

Die Weisung zum Erstlingtum aus dem fünften Buch, Reden (das fast nicht von den Opfern redet), verdeutlicht die Gründe zur Wahl der Tiere. ‚Nimm nicht den Erstling deines Rinds in Dienst, schere nicht den Erstling deines Kleinviehs [der Schafe] (Deut. 15,19b), vor Seinem [Adonai] deines Gottes Antlitz sollst dus essen‘ (Deut. 15,20a), ‚zuheilige es Ihm deinem Gott (Deut. 15,19a).‘ Der Mensch ist Diener des Ackers und des Viehs darauf, er soll immer wissen, dass die Tiere nicht in erster Linie da sind zur Produktivitätserhöhung, sondern zur Ehrung des Schöpfers, der sie den Menschen zur Versorgung und Bewahrung geschenkt hat. Gerade bei den Erstlingen, die gerne gleich zur Arbeit oder Zucht eingesetzt werden, bedeutet eine solche vorangehende Unterbrechung eine Warnung. Auch für den israelitischen Bauern und Bäuerinnen soll die Bereitwilligkeit, sein Leben zu lassen für die Seinigen [vgl. Joh. 15,13], wie sie es diesem Erstling des Viehs auferlegen, das erste sein – weshalb sie mit diesen in äußerster Vorsicht umgehen sollen. Es handelt sich weiter um das Männliche, erstens rein praktisch, weil nur das Weibliche Vieh für Milch sorgen kann, und darüber hinaus eher symbolisch, weil wir den eigenen Blutdurst, der begrenzt werden soll, in das Männliche projektieren. In Kontrast, ‚wenn aber daran ein Gebrest ist, es sei lahm oder blind, allerart böses Gebrest, sollst du es Ihm [Adonai] deinem Gott nicht schlachten‘ (Deut. 15,21): diese Tiere sind vom Dienst im Heiligtum freigestellt, weil gerade was stark und unverletzt ist die Dienstbarkeit lernen soll. Wohl sind sie für das nicht-rituelle Schlachten außerhalb des Heiligtums, in den Toren, freigegeben – wie sowieso die nicht-Erwählten zur Freiheit bestimmt sind –, also dort, wo der Unterschied zwischen rein und nicht rein keine Rolle spielt, eher vergleichbar mit einer Gazelle oder einem Hirsch, in der Jagd gefangen, können sie unregulierte Nahrung liefern (Deut. 15,22). Nur gilt auch dann das Verbot, Blut zu essen, denn die ‚Ehrfurcht vor dem Leben‘ ist die Voraussetzung alles Unterschieds zwischen Rein und nicht rein (Deut. 15,23). In dem Allen ist eine Versöhnung, eine Antwort auf die Gewalt, nicht schon gegenwärtig, wohl aber vielleicht eine performative Antizipation einer solchen Versöhnung. Die Halacha, das Tun der Geboten, ist in dieser Weise eine Einübung ins friedsame Leben.

Und was besagt dazu dann noch die Perspektive der Vollendung?

  • Die Vollendung als eine Neugeburt geisterfüllter Körper

Vom ‚Erwachen derjenigen, die am Boden des Staubes schlafen‘ und vom darauffolgenden ‚Leben im Weltdauer (Ewigkeit)‘ (Dan. 12,2), handelt Tanach explizite erst am Rande des Kanons. Das Buch Daniel bezeugt eine große Krise. Das ‚immerwährende Opfer‘ im Tempel ist beendet und ‚den Greuel des Entsetzens‘, nämlich einen Altar-Bau für den Baal des Himmels (als zugleich den griechischen Zeus) ist dort errichtet (Dan. 12:11). Aber zugleich hat das Buch Daniel es in den rabbinischen Kanon geschafft, weil es sich von dem gewalttätigen Aufstand der Makkabäer distanzierte (Dan. 11:34). Es ist darum eine ungekannte ‚Zeit der Drangsal‘ für das Volk (goj, Stamm), weil es nicht nur mit einem Tyrannen von außen zu tun hat, sondern auch die eigene Befreiungsgeschichte zu Schande geworden ist (Dan. 12,1). Dennoch gibt es ‚die Begreifenden‘, die ‚strahlen wie das Strahlen des Gewölbes‘ (Dan. 12,3). Sie finden ‚sich aufgeschrieben im Buch‘ (Dan. 12,1); wenn man erwägt, dass große Teile des Kanons schon abgeschlossen waren, als diese Worte geschrieben wurden, dann muss das wohl bedeuten, dass eine Wiederlesung der Schriften zu einer Wiederbelebung der Begreifenden führen soll, auch wenn die spezifische pseudepigraphische Geheimliteratur Daniel vorläufig ‚versiegelt‘ werden soll (Dan. 12,4). Damit scheint die ganze neue Sprache der Erweckung zum ewigen Leben nur eine Randbemerkung zum Tanach. Aber zugleich hat sie dennoch die spätere Literatur des Frühjudentums, dazu die Apostelschriften, allseitig beeinflusst.

Dazu hören wir zum Schluss den Apostel Paulus, der ein Pharisäer war, also einer Gruppe angehörte, die diese ‚neue‘ Lehre der Auferstehung befürwortete, und sie auch in den Schriften wiedererkannte. Aus dem umfangreichen 15. Kapitel des Ersten Briefs an die Korinther, das völlig dieser (offenbar umstrittenen) Sache gewidmet ist, lesen wir in der Perikope VV. 35-45, wie Paulus der unumgänglichen Frage nach dem wie der Auferstehung der Toten (1 Kor. 15,35) entgegentritt mit einem Vorschlag, das Schöpfungslied aus dem Buch ‚Im Anfang‘ neu zu lesen, und zwar so, dass die Leserinnen und Leser selbst zu neu geborenen Körper werden, und dabei erst begreifen, was ein Körper eigentlich ist.

Paulus fängt an, zu sagen [V. 36.37]: vom Geheimnis des Körpers weißt du, insofern du als Mensch im Bilde Gottes der/die Säende bist, und damit nach dem Bericht des sechsten Tages (Gen. 1,29) tust, was dir nach dem Bericht des dritten Tages (Gen. 1,11.12) ermöglicht ist (‚samensäendes Kraut‘, ‚samensäende Baumfrucht‘). Als Säender / Säende bist du zugleich selbst der Samen. Und dann erfährst du, dass Samen sterben muss. Ob das biologisch stimmt, ist für das Verständnis des apostolischen Zeugnisses unwichtig. Es geht darum, dass man in der Praxis des Untergehenden das ‚nackte‘, das isolierte ich, das als solches noch kein Körper ist, verlieren muss. Schon dieses Verlieren ist mit dem Kampf ums Dasein, in dem es immer Verlierer gibt, gegeben. Aber das Lied ‚im Anfang‘ akzeptiert, wie wir hörten, diesen Kampf ums Dasein nicht als letztes Wort.

[V. 38:] Nur das das ‚lebendig werden‘ ausschließlich von der anderen Seite eintreten kann. ‚Gott gibt ihn den Körper nach seinem Willen und einem jeden von den Samen einen besonderen Körper, was nach dem Dichter heißen soll, dass neues Leben immer unendlich differenziert sein soll.

[V. 39:] Wie die Körper in ihrer Differenz aussehen werden, wird sich noch zeigen; fürs erste geht es um differenziertes Fleisch, das heißt um eine Existenz in Abhängigkeit und Verletzbarkeit. Zur Illustration läuft Paulus jetzt das Gedicht von hinten nach vorne entlang: innerhalb des sechsten Tages von den Menschen (Gen. 1,26) zum Vieh (Gen. 1,24), innerhalb des fünften Tages (Gen. 1,20-22) auch in einer umgekehrten Reihenfolgevon den Vögeln zu den Fischen.

[V. 40.41:] All diese irdische Körper werden dann von den himmlischen Körpern des vierten Tages (Gen. 1,14-18) unterschieden. Nicht nur hören wir auch von diesen himmlischen Körpern in ihrer Differenz, aber zugleich tritt als neues Wort jetzt das Wort ‚Glanz‘ auf: die Lichter am Gewölb sind in ihrer Unterschiedenheit da, über die Erde zu leuchten (Gen. 1,15,17). Aber zugleich, wie Daniel sagte, bilden sie ein Bild für die Begreifenden im Gottesvolk, die strahlen werden als Sterne zur Bewährung (Dan. 12,3).

[V. 42a:] Und dann vernehmen wir, was uns schon klar war, dass die ganze Relektüre des Lieds im Anfang darauf hinausläuft, ein Gleichnis für die Auferstehung vorzuführen. Das Säen (Gen. 1,11) und der Verlust des sich verlierenden ‚nackten Kornes‘ als des isolierten Subjekts, rettet sich selbst nicht, aber empfängt eine Auferstehung in einem neuen, differenzierten, körperlichen Zusammenhang.

[V. 42b-44a:] Die folgenden Kontraste betonen, für wen diese Auferstehung gemeint ist: wer lebt in ‚Verweslichkeit‘, im gesellschaftlichen Verderben, erfährt deren Ende; jede Frau die / jeder Mann der in der bestehenden Welt Unehre erleidet, wird strahlen im genannten Glanz, wer Schwach ist (wie die Proletarier vom 1. Kapitel des Briefes; 1 Kor. 1,26-29), wird gerettet durch eine Kraft, die sich in der Schwachheit erweist (2 Kor. 12,9); und der letzte Kontrast: wer in der jetzigen Weltzeit existiert als seelisch-lebendiger Körper, wird aber dann auch zu einem Geist erfüllten Körper werden. Hier ist die ‚umgekehrte‘ Bewegung in der Wiederlesung vom sechsten zum dritten Tag vollendet: der Körper, der in der Auferstehung kommt, ist der Körper, der sich vom Gottesgeist bewegen lässt, und der damit eine Todeswelt – wie die Welt des ‚Proto-Anthropocens’, beherrscht von den gigantes – hinter sich lassen kann.

[V. 44b-45:] Zu diesem letzten Kontrast gibt es noch einen Verweis zum zweiten Kapitel des Buches ‚In Anfang‘, wo geschrieben steht, dass Er, Gott, Adam, dem Menschen, in seine Nasenlöcher Hauch des Lebens blies ‚und der Mensch wurde zum lebenden Wesen‘ (Gen. 2,7). Paulus benennt mit diesem Wort einen Aspekt der Erschaffung des ‚ersten‘ Menschen. Er sagt dazu, dass ‚der „letzte“ Adam zu einem Leben schaffenden Geistkraft‘ ward. Das soll auch ‚geschrieben stehen‘. Aber in welchem Schriftwort können wir diesen Ausdruck finden? Ich bemerke, dass der Ausdruck ‚Hauch des Lebens‘ (nischmat chajjim) sonst auch mit ‚Geistbraus‘ (ruach) abwechseln kann (Gen. 6,3; Ps. 104,30 (!); Hiob 33,4; Jes. 42,5). Kann es dann sein, dass Paulus zweimal denselben Text, nämlich gerade Gen. 2,7 meint: erstens, um zu beschreiben, dass der (‚erste‘) Mensch mit vielen anderen Geschöpfe diesen Lebensatem gemeinsam hat, und zweitens, um zu beschreiben, dass der (‚letzte‘) Mensch auf mit Gottesgeist erfüllter Weise andere inspirieren und erneuern wird? Auch das wäre ein aufschlussreiches Wiederlesen.

Und jetzt? Wissen wir endlich mal die richtige Antwort auf die Frage des ‚wie‘ der Auferstehung? Besitzen wir jetzt eine Vorstellung davon? Ich vermute: das ist noch immer nicht der Fall. Aber wohl hat der Apostel uns eingeladen, in einer Bewegung des Wiederlesens, die zugleich eine Bewegung der Wiederbelebung ist, zu partizipieren. Die Gemeinde in Korinth ist eingeladen, Moses zu lesen, sich mitnehmen zu lassen in der Bewegung des Samens, der sich verliert und der das Subjekt des Kampfes ums Dasein abzulegen lernt, und der dazu lernt, in einem neuen, richtigen, ebenso sehr gemeinsamen wie differenzierten Körper, Kraut und Baum (Brot und Wein) zu teilen. Wo das geschieht, kann der erweckenden Geist Gottes nicht weit weg sein.

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R.H. Reeling Brouwer

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