Recensie: Gerard den Hertog, ZDTh 31(2015)1

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Rinse Reeling Brouwer, Grondvormen van theologische systematiek, Skandalon, Vught 2009, 406 p. € 33,50 ISBN 9789076564777

Grundformen theologischer Systematik, heißt der allzu harmlose Titel dieses Buches von Rinse Reeling Brouwer. Auf dem ersten Blick ist es nichts anderes als eine zwar interessante, denn originelle Einführu­ng in das Studium der Theologie. Das ist es aber und so soll das Buch auch gewürdig­t sein! Wichtige Textabschnitte, zum Teil sogar Schlüsseltexte, in denen sich einen Wandel und Übergang abzeichnet, sind hier übersetzt und eben sorgfältig wie sachkundig kommentiert worden. Um es wirklich als ein Lehrbu­ch funktionieren zu lassen, werden die Texte und Reeling Brouwers Paraphrase in zwei Spalten nebeneinander auf derselben Seite abgedruckt. Der Leser – oder besser: Nutznießer – kann dem Autor auf den Fuß folgen und kontrollieren, ob das Kommentar auch wirklich dem Text gerecht wird und zutrifft. Inzwischen hat das Buch seinen Wert in dieser Hinsicht gezeigt, denn den echten Zugang zur großen Tradition der christlichen Theologie – und auch zum theologischen Studium – findet man ja nicht mit Hilfe eines allgemeinen Überblicks, sondern über das tatsäch­liche Aneignen in der – wo möglich gemeinsamen – Lektüre der Texten. Um das zu fördern bekommen die Leser auch Zugang zur Website des Verlags, wo die originelle Lesetexte zugäng­lich gemacht worden sind und die Diskussion mit anderen geführt werden kann. Ein Arbeitsbuch also!

Was findet man drin? Das Inhaltsverzeichnis zeigt nach dem Eingangskapitel, in dem Karl Barth und Adolf von Harnack zusammen figurieren, zehn weitere Kapitel, in der je einen oder zwei Theologen vorgestellt werden, die man in einem solchen Buch erwartet hätte, und die auch nicht fehlen dürften: Origenes (Kap. II), Augustin (Kap. III), Thomas von Aquin (Kap. V), Johannes Calvin (Kap. VII), Friedrich Schleiermacher (Kap. IX) und Karl Barth (Kap. X). Es sind die großen Gestalten der Kirchen- und Theologiegeschichte, die eine ganze Wirkungsgeschichte gezeitigt haben. Aber wer sind die anderen? Da musste gewählt werden und darin kommt doch wohl etwas von der eigenen Position oder vielleicht auch Vorliebe des Autors zum Ausdruck. Am wenigsten ist das wahrschein­lich noch der Fall bei Johannes Damascenus, der mit Petrus Lombardus in ein Kapitel zusammengebracht wird und den Übergang von der Frühen Kirche zur Scholastik repräsentieren. Dass Luther fehlt, soll eigentlich kein Grund zum Staunen sein, denn die Systematik überließ er seinem Mit­gefährten Philippus Melanchthon – und der ist hier vertreten mit seinen Loci Communes, übersetzt als „Kernbegriffe der Theologie“. Johannes à Marck hätte auch ein anderer sein könne­n, aber er ist sicher nicht willkürlich gewählt worden, denn er verkörpert die reformierte Scholastik, die ihren eigenen Untergang in sich trägt, weil die Orthodoxie in ihrem vor Anker gehen bei einer historischen Lektüre der Bibel ihren eigenen Grab schaufelte. Denn was könnte sie noch einbringen, wenn die so verstandenen biblischen Befunden von der Ergebnissen des historischen Denkens her unter Kritik gestellt oder sogar widerlegt werden?

Die größte Frage ist wohl, wer nach Barth kommen sollte, angenommen, es höre das lebendige theologische Denken nicht mit ihm auf. Das zu behaupten wäre dem Basler Theologen wohl zutiefst zuwider gewesen. Aber wer käme(n) dann in Betracht? Wolfhart Pannenberg? Oder Jürgen Moltmann? Stehen etwa nur Männer auf der Liste? Was zu denken von Eberhard Jüngel? Aber warum sollten es eitel Europäer sein? Wäre das nicht eine ungeheure Anmaßu­ng und eine fatale Identifikation Gottes mit dem Kontinent, das so tief geprägt ist durch zwei Weltkriege und vor allem durch die Schoah, als Abrechnung mit dem Volk und dem Gott Israels?!

Mag die Wahl von den beiden Johannes – Johannes Damascenus und Johannes à Marck – manchem schon wundern, Kapitel XI gibt das ganze Buch mit einem Schlag ein anderes Gesicht. Im ausführlichsten Kapitel von allen – 45 Seiten! – lässt Reeling Brouwer niemand anders als Friedrich-Wilhelm Marquardt zu Wort kommen. Aber auch diese Wahl kann er begründen. Marquardt hat als deutscher oder auch europäischer Theologe die Frage ernst genommen, ob es noch wohl geht: Theologie, ob nicht das ganze Denken neu anfangen sollte aus der Umkehr und so alle Systematik jedenfalls vertagen.

Zum Schluss soll der Name von Frans Breukelman noch genannt werden. Das Projekt, aus dem dieses Buch hervorgegangen ist, hat seinen Ursprung im „großartigen“, aber nur bruchstückhaft  bewahrt gebliebenen Werk von diesem Lehrer Reeling Brouwers über „die Struktur der heiligen Lehre in der Theologie der Kirche“. Wenn auch Reeling Brouwer eigene Wege betreten hat (Marquardt jedenfalls!), dennoch ist in vielen Hinsichten der Einfluß und die Inspiration des gründlichen Kenners der Theologie Calvins und der Orthodoxie, der Breukelman zweifellos war, mit Händen zu greifen. Rinse Reeling Brouwerr hat uns bereichert mit diesem Buch, das – leider – von den meisten Lesern dieser Zeitschrift nicht zur Kenntnis genommen werden kann. Aber – warum sollte es nicht schleunigst ins Deutsch und/oder Englisch übersetzt werden?!

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R.H. Reeling Brouwer

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