Zu: Klaus Hoffmann, Die große ökumenische Wegweisung. Die Bedeutung der Versöhnungsethik Karl Barths für die ökumenische Bewegung im konziliaren Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung heute (Europäische Hochschulschriften Reihe XXIII, Bd. 786), Peter Lang, Frankfurt am Main 2004, 368 S.
Der Anstoß zu dieser Studie, die als Dissertation an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal verteidigt wurde, ist Verwunderung. Der Autor, ein leidenschaftlicher Ökumeniker, hat erlebt, wie in den 80er Jahren (wahrscheinlich unter mehr um den Begriff ‚Konzil’ zu vermeiden) das Konzept des ‚Bundes’, im Sinne einer gegenseitigen Verpflichtung im Kampf für Gerechtigkeit und Frieden, in der ökumenischen Bewegung sehr wichtig wurde, dann in den 90er Jahren nahezu verschwand, um dem ebenso wichtigen Konzept der ‚Versöhnung’ Platz zu machen, während Karl Barth, in dessen Dogmatik sowohl die Versöhnung wie diese Versöhnung als ‚Erfüllung des gebrochenen Bundes’ eine zentrale Stelle einnimmt, in derselben ökumenischen Bewegung weitgehend als überholt gilt. In seinem Buch versucht er nachzuholen was dort kollektiv versäumt wurde, indem er die Aktualität der barthschen Theologie für die heutige ökumenische Debatte erkundet.
Aus dieser klaren Absicht ergibt sich eine ebenso klare Gliederung des Buches. Nach einer kurzen Einleitung wird in einem zweiten Teil der Verlauf des (inzwischen fast völlig erlöschten) konziliaren Prozesses nachgezeichnet, mit als wichtigsten Stationen die ökumenischen Versammlungen in Basel (1989), Seoul (1990) und Graz (1997). Im dritten Teil folgt eine Darstellung des – für manchen Beobachter überraschenden – Beitrags Karl Barths zur Vollversammlung des Weltkirchenrates in Amsterdam (1948) und dessen Weg bis Amsterdam. Der vierte und Hauptteil des Buches befragt die barthsche Lehre von Bund und Versöhnung, vor allem nach ihren ethischen Dimensionen. Im fünften Teil werden versuchsweise einige Linien in die Richtung heutiger Fragen – z.B. der Globalisierung, der strukturellen Gewalt und des Verhältnisses zwischen den Religionen – gezogen.
Der Intention dieser Intervention in den gängigen ökumenischen Diskurs kann ich nur beistimmen. Die Diskussionen über den von Konrad Raiser proklamierten ‚Paradigmenwechsel’ in der ökumenischen Bewegung (siehe Hoffmann, z.B. S. 81, 107) litten von Anfang an am Mangel einer ziemlich einfachen Identifizierung der mainstream Theologie im Weltkirchenrat der 50er und 60er Jahre mit der Theologie von Karl Barth. Von seiner Theologie blieben hauptsächlich Schlagwörter wie ‚Königsherrschaft Christi und ‚christozentrischer Universalismus’ hängen, die scheinbar genügten um sich der mühsamen Arbeit einer präzisen Relektüre des barthschen Textkorpus enthoben erachten zu können. Aber gerade an diesem Punkt, wo ich Hoffmann gerne beistimme, beginnen auch meine leisen Bedenken gegen das von ihm verfolgte Verfahren. Denn ich frage mich, ob auch er selber nicht manchmal schlagwortartig vorgeht statt genaue Analysen anzubieten. Wenn man Dokumente ökumenischer Konferenzen mit den Ausführungen in dem sich fortwindenden Gang der Kirchlichen Dogmatik vergleichen will, muss man sich realisieren, dass man es mit zwei völlig verschiedenen literarischen Gattungen zu tun hat. Was ich in Hoffmanns Buch vermisse ist eine Analyse dieser Differenz der Gattungen und ich befürchte, dass er dadurch bestimmte ökumenische Gesprächspartner, die er ja doch gerade von der Bedeutung der barthschen Theologie überzeugen möchte, eher in ihrem negativen Urteil über diese Theologie bestätigen könnte. Denn wie bei ihnen droht auch bei ihm ein Ausdruck wie ‚die Königsherrschaft Christi’ (z.B. S. 135 und S. 175) als Schlagwort verwendet zu werden. Nun ist es schon so, dass man, wenn man diesen Ausdruck, der meines Wissens zum ersten Mal von Oscar Cullman in den Theologischen Studien Heft 10 von 1941 vorgeschlagen worden ist, in der (CD-Platte der) Kirchlichen Dogmatik sucht, zwar 14 Male das Substantiv ‚Königsherrschaft’ findet – KD II/2 (1942!): 6 Stellen; KD III/3: 6 Stellen; KD IV/1: eine Stelle; KD IV/2: eine Stelle –, aber, obwohl mit dieser Herrschaft oft das messianische Königtum gemeint ist, niemals das Adjektiv ‚Christi’ dazu (am meisten in der Nähe kommt vielleicht der Ausdruck ‚Die Königsherrschaft Gottes in Jesus Christus’, KD IV/2, 948-949). Aber ohnehin: das dogmatische Textgenre, wie Karl Barth es auffasste, ist eine Form der freien Rede. Die Begriffe sind zwar von Schrift und Tradition vorgegeben und es gibt schon eine lange Geschichte ihrer wissenschaftlichen Bearbeitung, aber der Dogmatiker kann es sich leisten jede eingefrorene Begrifflichkeit wieder flüssig zu machen, jede dogmatische Festlegung wieder zu unterwandern, jede fixierte Bedeutung von innen heraus umzukehren. Barth war immer in Bewegung, und lässt sich schwerlich auf bestimmte, zeitweilig bezogene, Positionen festnageln. In diesem Sinn, und nicht auf Grund bestimmter Inhalte, die man in Schlagwörtern festlegen kann, ist es auch bei der weiteren (ökumenischen) Arbeit zu empfehlen, seine Texte, in ihrer ganzen Beweglichkeit, immer wieder zu studieren. Wenn man Hoffmanns Buch in diesem Sinn verstehen darf, kann man sagen, dass er dazu einen wichtigen Ansatz gegeben hat.
Rinse Reeling Brouwer