Die drei Grundformen der Institutio

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DIE DREI GRUNDFORMEN DER INSTITUTIO

Rinse Reeling Brouwer, Amsterdam

Die Institutio von 1536

Es war nicht selbstverständlich, dass der junge Calvin, der sich in Paris in einem reformerischen Milieu bewegte, auch eine Entscheidung für den lutherischen Glauben treffen sollte. Er selbst spricht von einer subita conversio, einer plötzlichen Bekehrung, was in der biblischen Sprache, in der er sich ausdrückte, einer “Tat von oben” gleichkommt, die an ihm geschah.[1] Im Herbst 1533 sah er sich aufgrund der Unruhe, die an der konservativen Sorbonne nach eine lutherisch gesinnten Rede des neuen Rektors Nicolas Cop entstand,[2] veranlasst, die Hauptstadt zu meiden und in Angoulême im Süden Frankreichs Zuflucht zu suchen. Wahrscheinlich begann er dort, in aller Ruhe und mit Zugriff auf die gut sortierte Bibliothek seines Freundes Du Tillet, an einer Schrift, in der er das neue protestantische Gedankengut dem französischen Bildungsbürgertum zur Ausbildung ihrer pietas, ihrer Gottesfurcht, nahe bringen wollte. Höchstwahrscheinlich diente ihm der Große Katechismus, mit dem Luther 1529 ein ähnliches Projekt für das deutsche Publikum unternommen hatte und der Calvin auf Latein vorgelegen haben muss, als Vorbild. Auch der Titel Institutio, Unterricht, weist darauf hin, dass das Werk in erster Linie als Katechese gedacht war.

In seinem Katechismus behandelt Luther den traditionellen Stoff des Glaubensunterrichts in der Ekklesia. Es behandelt 1. das Gesetz anhand einer Erläuterung der Zehn Gebote; 2. den Glauben anhand einer Erklärung des Apostolischen Glaubensbekenntnisses und 3. das Gebet anhand einer Erläuterung des Unser Vaters. Dem wird dann 4. eine Erklärung der Sakramente Taufe und Abendmahl hinzugefügt – und, bei Luther sicher anfänglich, die Beichte – als Glaubenshandlungen, die die dargelegten Glaubensschriften begleiten und unterstreichen. Den Dreiklang Gebot-Glaube-Gebet erklärt Luther selbst mit einer Metapher, der wir bei Melanchthon begegnet sind: Zunächst muss unsere Krankheit diagnostiziert werden, was mit Hilfe des Gesetzes geschieht; dann müssen wir das Heilmittel gegen die Krankheit suchen, welches wir im Glauben finden; schließlich müssen wir die Apotheke aufsuchen, um das Medikament abzuholen, was fragend und bittend im Gebet erfolgt.[3] Es geht hier also um eine pädagogische Ordnung, die der von Melanchthon dargelegten systematischen Ordnung Sünde – Gesetz – Gnade gleichkommt. Calvin übernimmt in der ersten Phase der Arbeit an seinem Glaubensbüchlein Luthers Einteilung und gelangt für die ersten vier Kapitel zu folgender Reihenfolge – siehe hierzu die Übersicht in der linken Spalte des hier aufgeführten Schemas der drei Grundformen der Institutio:

1. De Lege, Vom Gesetz

2. De Fide, Vom Glauben[4]

3. De Oratione, Vom Gebet[5]

4. De Sacramentis, Von der Taufe und vom Abendmahl.

Plötzlich verhärten sich dann in Frankreich die Fronten. In Paris werden im Oktober 1534 in der Schweiz verfasste ‘Traktate’ (Plakkaten) verbreitet, Kampfschriften gegen die päpstliche Messe. Sie erreichen selbst die Gemächer König Franz I. in seinem Schloss zu Amboise. Obwohl der Renaissancefürst sich nicht berufen fühlt, eine klare Entscheidung zwischen Rom und der Reformation zu treffen, sieht er sich nun aufgrund politischer Umstände gezwungen, Maßnahmen zu ergreifen. Es werden Hostienprozessionen abgehalten, Druckereien geschlossen und im Eilverfahren Todesurteile unter den Führern der ‘luthériens’ vollstreckt. Der König höchstselbst wohnt den öffentlichen Verbrennungen bei, so dass kein Zweifel darüber entstehen kann, auf wessen Seite er steht. Für Calvin, der dies alles im weit entfernten Süden vernimmt, kann es nur eine Schlussfolgerung geben: Frankreich ist für die  Sympathisanten der protestantischen Sache kein sicherer Boden mehr. Er regelt seine letzten Angelegenheiten und lässt sich als Exilant in Basel nieder, einem intellektuellen Zentrum, in dem Erasmus lange wohnte und in das er soeben zurückgekehrt war, um jedoch bald darauf dort zu sterben. Dort angekommen erfährt Calvin, dass der König sich inzwischen mit den protestantischen Fürsten in Deutschland in Verbindung gesetzt hat, um die Möglichkeiten einer Koalition gegen seinen großen Rivalen, Kaiser Karl V. aus dem Hause Habsburg zu sondieren. Eine merkwürdige, in der politischen Geschichte keinesfalls ungewöhnliche Konstellation: Feinde im Inland werden zu Freunden im Ausland. In dieser Situation setzt Calvin die Arbeit an der Institutio fort. Jetzt aber sind, verglichen mit dem anfänglichen Ziel des Glaubensunterrichts einige Ziele hinzugekommen. Eines der neuen Ziele besteht darin, die neue Erkenntnis gegenüber Rom zu verteidigen – Grund genug für das hinzugefügte, fünfte Kapitel De falsis Sacramentis, Von den fünf von Rom zu Unrecht so genannten Sakramenten (ein Kapitel, in dem vor allem das vierte Buch der Sentenzen von Petrus Lombardus die Zielscheibe darstellt), und das sechste Kapitel De libertate christiana, potestate ecclesiastica et politica administratione, (a) Von der Freiheit eines Christenmenschen, der sich durch keine einzige (b)  kirchlich-hierarchische Macht den Mund verbieten lässt, sondern vor dem (hör gut zu, o Durchlaucht Franz I.!) eine (c) Regierung, die Gott und den Menschen dient, keine Gefahren zu befürchten habe. Auf das andere, neue Ziel ist das hinzugefügte Schlusskapitel hin konzipiert. Darin geht es Calvin unter anderem darum, mit Hilfe dieser Glaubensdarlegung seinen Fürsten davon zu überzeugen, dass dieser zu Unrecht die Protestanten auf die Anklagebank gesetzt habe, da er falsch informiert gewesen sei und auf sich auf Verleumdungen berufen habe. Als Jurist zieht Calvin in seinem Darreichungsbrief an Franz I. alle Register und tritt damit als Anwalt der verfolgten Protestanten auf.[6] So fand das Buch schließlich seine Gestalt: vier Kapitel eines einfachen Glaubensunterrichts für die eigenen Anhänger, zwei sehr viel ausführlichere und im Ton stärker polemische Kapitel für die Außenwelt samt eines eindrucksvollen Darreichungsbriefes – der auch in späteren Ausgaben stets hinzugefügt werden sollte. Calvin beendet das Buch im Herbst 1535, es erscheint jedoch erst im März 1536.

Siehe hier die Übersicht in ‚Grondvormen van theologische systematiek‘ S. 214 (im Deutschen übersetzt)

Die Institutio von 1539

Im Juli 1536 befindet sich Calvin auf einer seiner vielen Wanderungen dieser Jahre auf dem Weg vom norditalienischen Ferrara in die seinerzeit deutsche Stadt Straßburg. Da Franz I. und Karl V. sich wieder einmal bekriegen, sieht er sich gezwungen, einen Umweg über Genf zu nehmen. In einer dortigen Unterkunft – so die Überlieferung – geschieht zu nächtlicher Stunde etwas, das für sein späteres Leben von entscheidender Bedeutung sein sollte. Der ältere, protestantische Prediger Guillaume Farel erfährt von seiner Anwesenheit, sucht ihn gemeinsam mit dem jungen Kampfgefährten Pierre Viret auf und zwingt ihn, beim praktischen Gemeindeaufbau in dieser Stadt zu helfen. Denn Genf hatte zwar den Bischof von Savoyen verjagt und sich auf die Seite der Protestanten gestellt, die Stadt aber war noch keineswegs geordnet. Calvin, dem eher eine ruhige Karriere als Intellektueller an einem Adelshof vorschwebte, leistete heftigen Widerstand, sieht sich jedoch nach Farels Beschwörungen als eines „vom Himmel herab“ gesandten Propheten in Israel beim Kragen gegriffen und stimmt schließlich zu.[7]

Für die Geschichte der Institutio ist dieser erste Aufenthalt in Genf insofern von Bedeutung, als dass er untrennbar mit dem Katechismus verbunden ist, den Calvin entworfen hatte und von den Stadtpredigern im Januar 1537 dem Rat überreicht wurde. Dieser Text sollte dem Unterricht der Jugend dienen und das Bürgertum, das soeben den Weg der Reformation eingeschlagen hatte, an die getroffene Entscheidung binden. Darüber hinaus betrachtete man es als Glaubensbekenntnis der Stadt gegenüber Gott, den Engeln und der Außenwelt. Calvin konzipierte diese Schrift in ihren Grundzügen, indem er Auszüge aus seiner Institutio machte, die ein Jahr zuvor erschienen war. Wie bei Luther entstand so neben dem ‘kleinen’ Katechismus auch ein ‘großer’.[8] Der Unwille der einflussreichen politischen Kräfte sowie in Teilen der Bevölkerung, sich auf Wunsch der Prediger so nachdrücklich an das Bekenntnis – unter anderem an diesen Katechismus – zu binden, war einer der wichtigsten Gründe für die Konflikte, die Ostern 1538 zur Verbannung von Calvin und Farel aus der Stadt führen sollten.

Der Katechismus von 1537 war in didaktischer Hinsicht eine Katastrophe, was angesichts eines ersten Entwurfs eines 27jährigen, völlig unerfahrenen Bibellehrers kaum verwundert. Calvin ersetzte ihn daher auch 1542 durch einen anderen Text, der als Katechismus von Genf in der französischsprachigen, protestantischen Welt einen weitaus größeren Einfluss ausüben sollte. Inhaltlich jedoch ist an diesem Text tatsächlich eine theologische Entwicklung Calvins abzulesen. Denn obwohl es hier größtenteils um eine Wiederholung der Erkenntnisse aus der ersten Institutio geht, sind vor allem im ersten Teil auch neue Passagen zu finden, die auf eine Weiterentwicklung der Gedanken Calvins hindeuten. Am stärksten fällt der Anfang ins Auge. Der Behandlung des Trios Gesetz – Glaube – Gebet stellt Calvin nunmehr zweimal drei Artikel voran. Die ersten drei Artikel behandeln ‘die Gotteserkenntnis’, die folgenden drei ‘die Kenntnis unserer selbst’ – worin er die Erkenntnis darlegt, dass es mit uns selbst nicht zum Besten gestellt sei und dass wir vor Gottes Angesicht große Sünder seien. Auch  Melanchthon hatte in seinen Loci von 1521 der Erörterung des Gesetzes diejenige des sklavischen Willens und der Sünde vorangestellt, vergleichbar mit den jeweils drei Artikeln von Calvin. Aber den Ansatz bei der ‘Gotteserkenntnis’ kannte Melanchthon anfänglich nicht. Dieser kennzeichnet eher die Art der Theologie, die Calvin repräsentiert. In der zweiten Version der Institutio, der von 1539, sollte sich Calvin darüber dann methodisch verantworten. Es mache durchaus Sinn, sagt er darin, dem Menschen zunächst sein tiefes Elend vor Augen zu führen, um ihn daraufhin aus seinen Schlupflöchern heraus zu Christus hin zu jagen, bei dem allein das Heil zu finden sei. Dies sei daher sicher keine falsche Ordnung. Vielmehr müsse dann jedoch die Frage gestellt werden: Wer ist es, der dem Menschen mitteilt, dass er durch und durch sündig sei? Habe ein Mensch nicht aus sich selbst heraus eher die Neigung, sich seinen Zustand viel rosiger vorzustellen, als dies der Fall sei? Müsse er nicht erst von Gott wissen, um dann in seinem Angesicht zu entdecken, dass er ein Sünder sei?[9] In gewisser Weise wird dann auch Melanchthon diesen gedanklichen Weg einschlagen, indem er ab der zweiten Aetas seiner Loci die Kapitel Gott und Schöpfung der Abhandlung über den sklavischen Willen und die Sünde voranstellt. Aber Calvin gelangt aus eigener Kraft und vor allem theologisch fundierter zum Entschluss, so vorzugehen. In den späteren Versionen der Institutio, seinem ‘großen’ Katechismus, wird er bei dieser Entscheidung bleiben.

Wir sprachen von der Institutio des Jahres 1539. Calvin wurde inzwischen, nach seiner Verbannung aus Genf, von Martin Bucer nach Straßburg gerufen. Dieser vertraut ihm die kleine Schar einer französischen Flüchtlingsgemeinschaft an, bei der er sich nachträglich in einer geschützten Umgebung mit den Anforderungen des Pfarramts vertraut machen kann. Darüber hinaus trifft er zudem vor allem an der gymnasialen Akademie unter Leitung des Humanisten Johannes Sturm ein intellektuelles Klima an, in dem er seine Talente als Dozent entfalten konnte. So wie zuvor seine Bibelvorlesungen, die er im Oktober 1536 in Genf in der Kirche St. Pierre begonnen hatte, setzen sich seine Vorlesungen an der Akademie aus Schrifterklärungen in fortgesetzter Schriftlesung, lectio continua, zusammen.[10] Der Schrifterklärung wird in seiner theologischen Arbeit stets Vorrang eingeräumt, und der erste Kommentar, der als Frucht seiner Arbeit erscheint, ist dann – auch bei ihm – der Kommentar zum Römerbrief. Mit diesem Römerkommentar arbeitet er jedoch zugleich auch an der Revision der Institutio, die er sich bereits schon seit langem vorgenommen hatte, jedoch noch nicht dazu gekommen war. Wohlgemerkt: die Institutio war kein Stoff seiner Vorlesungen. Calvin lehrte keine ‘Dogmatik’.[11] Das Buch sollte als Hilfsmittel für die fortgesetzte Schriftlesung dienen, durfte diese jedoch zu keinem Zeitpunkt ersetzen. Der ‘Brief an den Leser’ in der zweiten Ausgabe der Institutio, datiert auf den 1. August 1539, erinnert dann auch in mancherlei Hinsicht an Melanchthons Epistola dedicatoria von 1521.[12] Einen einfachen Zugang zur Lektüre der Heiligen Schrift möchte Calvin nach eigenem Bekunden mit dieser summa religionis, der Zusammenfassung der Religion seinen Studenten bieten, auf dass diese in die Lage versetzt würden, feststellen zu können, was sie hauptsächlich in der Schrift suchen müssten und auf was alles hinauslaufe, was in der Schrift zu finden sei. Er äußert die Hoffnung, dass er den Stoff dabei dergestalt geordnet habe, dass dieses den Studenten nicht allzu schwer fallen möge.

Wir bemerken, dass die Zielgruppe seiner Arbeit in diesem zweiten Druck sich anscheinend im Vergleich zum ersten Druck verschoben hat. Ging es zunächst hauptsächlich noch um ein gebildetes Publikum, dass sich bereit zeigte, sich katechetisch in der pietas schulen zu lassen, so geht es nun um Studenten, die sich in der Theologie – also in der Schriftgelehrtheit! – üben möchten. Die Arbeit erhält damit eher den Charakter eines Lehrbuches, ohne jedoch den eines  Großen Katechismus’ zu verlieren. Mit der Veränderung des literarischen Genres ändert sich auch das Vorbild, nach dem Calvin sich richtet. War dieses in der ersten Version der Institutio noch der Katechismus von Luther mit dem Dreiklang Gebot – Glaube – Gebet, so werden es nun die Loci Communes Melanchthons, vermutlich gemäß den zweiten aetas aus den Jahren 1535 und später.

Calvin setzt das Muster fort, dass sich im Laufe der Arbeit an der ersten Ausgabe bereits herausgebildet hatte, nämlich dass er dem ursprünglichen corpus doctrinae, der den Kern der Sache behandelt, Kapitel hinzufügen kann, die nähere Aspekte oder Angelegenheiten polemischer Art enthalten können – siehe dazu die früheren Bemerkungen bezüglich des fünften und sechsten Kapitels der Institutio von 1536. Gemäß der Analyse von F.H. Breukelman enthalten die ersten sechs Kapitel der revidierten Ausgabe die summa doctrinae, die Lehrzusammenfassung, gefolgt von einer Reihe von ‘Aspekten’. Hauptsächlich geht es bei der Lehrzusammenfassung um zweimal drei Kapitel,  bei den Aspekten um elf Kapitel – siehe dazu im folgenden Schema in der mittleren Spalte die Kapitel 1-6 und 7-17:[13]

Sie hier die Übersicht in F.H. Breukelman, The Structure of Sacred Doctrine in Calvin’s Theology, pp. 161-164

Die ersten drei Kapitel setzen bei der Gotteserkenntnis als Ausgangspunkt für unsere Selbsterkenntnis an – Calvins ‘Entdeckung’ beim Entwurf des Katechismus’ von 1537 – worauf die Selbsterkenntnis als Kenntnis unseres Elends folgt, um damit zum Gesetz zu gelangen, das unsere Sünde nachweist und uns in unserer Verzweiflung über das Häufchen Elend, welches wir seien, zu Christus treibe. Die folgenden drei Kapitel behandeln den Glauben, der uns aus unserem Elend errette und erläutert von dort aus die zweifache Gestalt, welche die Gnade für uns annehme: einerseits die poenitentia, Buße[14] und andererseits die iustificatio, die zentrale reformatorische Botschaft der Rechtfertigung allein durch den Glauben. Diese solle vermeiden, dass die Buße wiederum als neues Gesetz aufgefasst und vergessen werde, dass das spontane Handeln eines befreiten Menschen aus einer ‘gratis’ gegebenen Gabe resultiere.

Auf diese aus zweimal drei Kapiteln bestehende Lehrzusammenfassung folgen die (vorläufig noch) elf Aspekte, die Verschiedenes behandeln: die zwei Kapitel über die beiden Testamente bzw.  die Gestalt der oben dargelegten Geschichte Gottes und der Menschen als Geschichte des Bundes in der Zeit, sowie über die göttliche Auserwählung bzw. die Begründung dieses Bundes in der Ewigkeit von Gottes Herzens, das voller Liebe für seine Menschen sei,[15] gehören zueinander. Darauf folgen die Kapitel drei bis sechs von 1536 und abschließend eine ethische Zuspitzung: ‘Das Leben eines Christenmenschen’. Diese Lehre ist schließlich dazu gedacht, den Studierenden in ihrer Lebensführung Hilfestellung zu leisten.

Von der Institutio von 1539 zu der von 1559

1541 redigiert Calvin selbst eine französische Ausgabe der Institutio von 1539, was er höchstwahrscheinlich mit der Institutio von 1536 nicht getan hatte. Diese Übersetzung ist ein bedeutendes Ereignis in der Entwicklung der französischen Schriftsprache. Calvin ist – neben seinem Antipoden Rabelais – einer der ersten großen, frühmodernen Autoren, die sich der französischen Sprache bedienten. Verglichen mit dem lateinischen Text geht es hier oftmals um einen mehr deutlichen und weniger fachlichen Sprachgebrauch. Auch mit Blick auf die Proportionen der einzelnen Abschnitte gehört die Übersetzung zu Calvins gelungensten Arbeiten. Inhaltlich weist sie gegenüber der lateinischen Version von 1539 kaum Neuerungen auf.

Der dritte Druck von 1543 bietet dagegen viele Neuerungen. Hier zeichnet sich zum ersten Mal ab, was Calvin später immer wieder zu tun pflegt. In jedem neuen Druck[16] wird er neue Erkenntnisse aus seiner fortgesetzten Bibelerklärung, seiner nächtlichen Lektüre der Kirchenväter und seine zahllosen Polemiken gegen Widersacher in den bestehenden Text einarbeiten. Für die Ausgabe von 1543 bedeutet dies, dass das lange angekündigte Reformkonzil, das 1545 in Trient seine erste Versammlung erleben sollte, seine Schatten voraus wirft. Calvin untersucht die Geschichte des Papsttums und seiner Entartung als auch die Fundamente des Kirchenrechts und speziell der Ämterlehre. Auf diese Art und Weise macht er sich auf die Suche nach einer Alternative für die Strukturen der römischen Kirche. Das Ergebnis dieser Studien bringt er größtenteils in der Darlegung des credo ecclesiam im Apostolikum unter. Der Stoff ist jedoch dermaßen umfangreich, dass das Kapitel ‘Glaube’, in dem er das credo erläutert, überproportional groß werden sollte. Dies im Blickfeld beschließt er darum, dieses Kapitel zu streichen. Ein Kapitel über die Frage, was der Glaube sei, ein Kapitel über den ersten Inhalt des Glaubens (Gott, der Schöpfer), ein Kapitel über den zweiten und dritten Inhalt (Christus und der Heilige Geist) sowie ein Kapitel über das, was Calvin – anders als beispielsweise Luther – als den vierten Inhalt betrachtet (die Kirche). In diesem letzten Abschnitt kann er dann eine Menge seines neuen Materials unterbringen. Mit der Konsequenz jedoch, dass der gut geordnete Entwurf von 1539, der oben aufgeführt wurde, übel zugerichtet wird. Die ‘Lehrzusammenfassung’ mit zweimal drei Kapiteln, in der der ‘Glaube’ mit der ‘Buße’ und der ‘Rechtfertigung’ verbunden war, ist nun dahin. Ein Vergleich der oben dargestellten Einteilung von 1539 mit der mittleren Spalte der im ‘lateinischen’ Schema enthaltenen Kapiteleinteilung von 1543 (als einer der Ausgaben der zweiten ‘Grundform’ der Institutio) kann dies deutlich machen.[17] Auch in den folgenden vier lateinischen und fünf französischen Ausgaben wird dies so bleiben, ja wird das Problem des Ungleichgewichts aufgrund ständig neuer Ein- und Hinzufügungen nur noch größer. Es verwundert daher nicht, dass Calvin im Winter 1558/1559, als er sich im Krankenbett an die soundsovielte Revision seiner Arbeit macht, bemerkt: ‘Ich hab meine Arbeit nie bereut, aber ganz zufrieden bin ich damit trotzdem nie gewesen’.[18]

Daraufhin fasst er bei dieser Revision – es sollte die letzte sein – einen einschneidenden Entschluss. Calvin hat eine Idee. Wenn nun doch die Erläuterung des Apostolischen Glaubensbekenntnisses – nach altkirchlichem Sprachgebrauch das symbolum genannt – in meiner Arbeit einen wichtigen Platz einnimmt, warum sollte ich es dann nicht zum strukturierenden Prinzip meines Gesamtwerks machen? Mit dieser Idee im Hinterkopf macht er sich an die Arbeit und bringt nach einer enormen Bastelarbeit[19] eine erheblich veränderte Disposition aus vier Büchern zustande, die er in Kongruenz mit der Vierteilung des credo wähnt: I. Vater, II. Sohn, III. Geist und IV. Kirche (siehe die ganz rechte Spalte im ‘lateinischen’ Schema).

Calvins Arbeit an der Institutio von 1559

Die Titel der vier Bücher der Ausgabe von 1559 lauten wie folgt:[20]

I.          Von der Erkenntnis Gottes als des Schöpfers.

II.        Von der Erkenntnis Gottes als des Erlösers in Christo, wie sie zuerst den Vätern unter dem Gesetz, alsdann auch uns im Evangelium offenbart worden ist.

III.       Auf welche Weise wir der Gnade Christi teilhaftig werden, was für Früchte uns daraus erwachsen und was für Wirkungen sich daraus ergeben.

IV.       Von den äußeren Mitteln oder Beihilfen, mit denen uns Gott zu der Gemeinschaft mit Christus einlädt und in ihr erhält.

Von der soeben behandelten Einleitung bis zur Darlegung des symbolum von 1539 könnte man sagen: Es geht hier um die Ordnung der Lehre anhand einer Erklärung der vier Abschnitte des Apostolikums. Erst Gott, der Schöpfer bzw. der Vater, dann Gottes Erlösungswerk in Christus, dann die Aneignung der Gnade in Christus bzw. das Werk des Heiligen Geistes und schließlich die Einladung zur Gemeinschaft von Christus bzw. die Kirche als Ort, an dem diese Aneignung stattfindet. Alle vier Abschnitte weisen auf das eine zentrale Geheimnis, zu dem uns der Zugang in Christus durch den Geist gegeben ist, aber dessen dreieiniges Wesen uns unzugänglich bleibt.[21] Würde man dies graphisch darstellen, so müsste man an einen Zirkel denken, beispielsweise ein Rad, dessen Speichen (die einzelnen Artikel des Glaubensbekenntnisses) alle auf eine offene Mitte zuliefen, in der sich die Achse befindet, die das Rad in Bewegung hält.

So ganz unproblematisch ist die Sache jedoch nicht. So fällt bei den Titeln der vier Bücher auf, dass die Bücher II bis IV alle den Christusnamen tragen: Gott der Erlöser in Christus (II), der Empfang der Gnade in Christus (III),[22] die Einladung zur Gemeinschaft von Christus (IV). Man könnte erwarten, dass demgemäß auch das erste Buch dann z.B. so lauten würde: ‘Von der Erkenntnis Gottes, Christi Vaters, der Himmel und Erde geschaffen hat’. Die Tatsache, dass Calvin der Meinung war, dass wir den Vater nur durch den Sohn kennen könnten, hat er im aufgeführten Fragment nachdrücklich betont. Dennoch hat er das erste Buch nicht so genannt, und dies signalisiert ein tiefer liegendes, theologisches Strukturproblem in dieser Institutio.

Frans Breukelman vermutet das Folgende. Als Calvin sich im Winter 1558/1559 an die Neuordnung seiner Institutio machte, beschloss er zwar das credo, und damit die trinitarische Gliederung, zum Fundament der neuen Ausgabe zu machen, setzte jedoch nicht bei der Behandlung der Trinitätslehre an. Diesen Abschnitt hatte er nämlich seit 1536 stets der Darlegung des Apostolikums innerhalb des Kapitels ‘Vom Glauben’ vorangestellt. Das tat er nun jedoch nicht,[23] sondern setzte einfach am Anfang an und nahm das erste Kapitel der vorliegenden Institutio von 1554 zur Hand, das seit 1539 lautete: ‘Von der Gotteserkenntnis’.[24] Der Ursprung dieses Kapitels lag schließlich, was die katechetische Tradition der Institutio von 1536 betrifft, gemäß dem Vorbild Luthers im Dreiklang Gebot – Glaube – Gebet begründet, und was die Loci-Tradition der Institutio von 1539 betrifft, im Dreiklang Sünde – Gesetz – Gnade gemäß dem Vorbild Melanchthons. Sowohl in der Luther- als auch in der Melanchthon-Tradition ging es um eine theologische Methode, gemäß der der Mensch zunächst auf sein tiefes Elend hingewiesen werden müsse, dieses Elend daraufhin durch das Gesetz tiefer eingeprägt bekommen müsse, um schließlich nirgend anders sein Heil zu suchen wollen und zu können, als im Glauben an Christus, von dem das Evangelium künde. Seit dem Katechismus von 1537 leitete Calvin diese rhetorische Ordnung mit einer Betrachtung der Gotteserkenntnis ein, da ein Mensch zunächst von Gott wissen müsse, um von dort aus begreifen zu können, wie tief er vor dem Angesicht Gottes in die Sünde verstrickt sei. Diese Ordnung ist linearer Art:

Gotteserkenntnis ® Selbsterkenntnis = Sündenerkenntnis ® Gesetz ® Evangelium/Glaube/Christus.

Anders dargestellt:

Gott, der Schöpfer ®  der Mensch als Kreatur ®  der Mensch als Sünder ®  Gott, der Erlöser

Calvin begann in seiner Neuordnung des Stoffes also beim vorliegenden Kapitel I: ‘Von der Gotteserkenntnis’. Dieses Kapitel machte er zum Ausgangspunkt seines ersten Buches ‘Von der Erkenntnis Gottes, des Schöpfers’ – insbesondere die ersten zehn Kapitel des neuen, ersten Buches stellen eine Ausarbeitung dieses älteren, ersten Kapitels dar. Daraufhin gelangte er zum früheren, zweiten  Kapitel (siehe die mittlere Spalte des ‘lateinischen’ Schemas in den drei Spalten): ‘Von der Kenntnis des Menschen’. Dies machte er zum Ausgangspunkt der ersten fünf Kapitel des zweiten Buches. Von dort kam er zum dritten Kapitel, ‘Vom Gesetz’, das er größtenteils in die Kapitel sieben und acht dieses zweiten Buchs einordnete. Die Erläuterung des zweiten, christologischen Artikels des Apostolischen Glaubensbekenntnisses, die in den Ausgaben von 1543 bis 1554 Bestandteil des siebten Kapitels war, konnte er als Evangeliumsverkündigung anschließen lassen: Die Kapitel 12 bis 16 des zweiten Buches. Diesem Erlösungswerk Christi verdankt das Buch seinen Titel: ‘Von der Erkenntnis Gottes, des Erlösers in Christus’.

Nun ging dies – wie bereits in Melanchthons Vorwort zu den tertia aetas seiner Loci zu finden – damit einher, dass die Bibel als fortlaufende Geschichtserzählung gelesen wurde (historix series). Erst geschieht die Schöpfung, dann folgt der Zustand Adams im Paradies, dann der Fall, dann das Versprechen der Wiedergutmachung, dann die Gesetzesgabe an Mose und schließlich das Erlösungswerk des Mittlers. In dieser Ordnung stellen die einzelnen Glaubensartikel weniger Radspeichen dar, die auf eine Mitte zulaufen, sondern formen sie eher Etappen eines fortlaufenden Prozesses. Dies lässt eher vermuten, dass die Gotteserkenntnis, von der zu Beginn die Rede ist, als erste Phase in einem solchen Prozess durchaus noch nicht die gesamte Gotteserkenntnis enthält, sondern dass – zumindest aus menschlicher Perspektive gesehen – das Wissen vom Schöpfer noch eine unvollendete Gotteserkenntnis enthält, die später in Christus einer Ergänzung bedarf. Wenn man jedoch dieses Schema hantiert, ist man nicht weit von der mittelalterlichen, aristotelischen Scholastik entfernt, gemäß derer die natürliche und übernatürliche Vernunft, wenn auch auf unterschiedlichen Ebenen und einander ergänzend, vom einen und einzigen Gott sprechen. Die wichtigste Veränderung ist dabei, dass der hierarchisch-kosmische Rahmen der Scholastik als bergender Baldachin entfallen ist und die Theologie sich nun an der Schrift als wichtigstem Anker orientiert. Und dies impliziert anscheinend eine linear-historische Lesung dieser Schrift.

Oben behaupteten wir, dass sich für Calvin noch andere Möglichkeiten ergeben sollten. Wenden wir uns nochmals hin zur Komposition des zweiten Buches der Institutio von 1559 (siehe erneut die dritte Spalte des Schemas). Calvin übernahm darin, wie bereits erwähnt, einige Kapitel aus den früheren Ausgaben: das zweite (Von der Sünde), das dritte (Vom Gesetz) und einen Teil des siebten (Vom Mittler). Er strebte dabei eine Methode an, die einzelnen Teile einigermaßen ordentlich miteinander zu verbinden, so dass aus den neuen Bestandteilen ein schönes, neues Ganzes entstehen würde. Dabei machte er einen Fund: Er griff zum früheren elften Kapitel: ‘Übereinstimmung und Unterschied zwischen Altem und Neuem Testament.[25] Mit diesem Kapitel schweißte er (in II.10-11) die Traktate über die Sünde (II.1-5) und das Gesetz (jetzt: II.7-8) mit dem Traktat über das Evangelium, welches Christus ist, (jetzt: II.12-16[26]) aneinander. Das Ergebnis ist verblüffend. Anfänglich war das Schema ‘Gesetz und Evangelium’ gemäß Luthers Katechismus (1536) und Melanchthons Loci (1539-1554) für das Lehrbuch strukturbestimmend: zunächst die Kenntnis unserer Sünde durch das Gesetz, dann die Kenntnis des Evangeliums durch Christus. Die Erklärung des Apostolikums war dabei ein Bestandteil des ‘Evangeliums’ (in ‘Der Glaube’). Nun dreht Calvin die Sache um. Die Darlegung des Apostolikums stellt den Rahmen dar, und das Thema ‘Gesetz und Evangelium’ im II. Buch der neuen Institutio ist ein Bestandteil dessen.[27] Der alte Dreiklang Sünde – Gesetz – Gnade ist damit insgesamt ein Teil der ‘Erkenntnis Gottes, des Erlösers’ und nicht mehr wie bei Melanchthon die Lehrzusammenfassung als ganzes. Der Dreiklang ist auf diese Art und Weise ein Aspekt in einer breit angelegten, trinitarischen Darstellung. Ferner sind auch die Sünde und das Gesetz durch ihre Platzierung im zweiten Buch gänzlich auf Christus bezogen, sie weisen auf Christus hin und stehen unter der Überschrift eines Buchtitels,  der den Namen Christi enthält.

Aber damit waren die Schweißarbeiten Calvins noch nicht beendet. Seiner Auffassung nach bedurfte ein schöner, neu zu komponierender Zusammenhang noch weiterer Verbindungselemente. Für diesen Zweck schrieb er im Winter 1558/59 zwei neue, sehr kurze Kapitel. Das sind einerseits die Kapitel II.6 als Verbindung zwischen den Kapiteln 1-5 über die Sünde sowie über den sklavischen Willen und die Kapitel 7-8 über das Gesetz. Andererseits das Kapitel II.9 als Verbindung zwischen den Kapiteln 7-8 über das Gesetz und den Kapiteln 10-11 über das Evangelium. Ferner ein Kapitel, dass das Verhältnis von Gesetz-und-Evangelium, Altes-und-Neues-Testament sowie Johannes den Täufer als Mittelsmann zwischen diesen bespricht. Das erste dieser zwei neu geschriebenen Zwischenkapitel beginnt wie folgt (in der Übersetzung von Otto Weber):

‘So ist also das ganze Menschengeschlecht in Adam zugrunde gegangen. Und all jener ursprüngliche Vorrang und Adel, die wir erwähnten, würde uns rein gar nichts einbringen, ja nur noch schrecklicher unsere Schande offenbar machen, wofern nicht Gott, der die von der Sünde befleckten und verderbten Menschen nicht als sein Werk anerkennt, in der Gestalt seines eingeborenen Sohnes als der Erlöser erschienen wäre. Seitdem wir also vom Leben zum Tode übergegangen sind, würde uns all jene Erkenntnis Gottes als unseres Schöpfers, von der wir gesprochen haben, rein nichts mehr nützen, wenn nicht der Glaube hinzukäme, der uns Gott in Christus als unsern Vater vor Augen stellt.’

Der Ansatz scheint an die historica series anzuschließen, die linear gelesene, biblische Geschichte. Mit Adam ist die Menschheit gefallen (dies wird in II.1-5 behandelt). Damit gereicht uns die ursprüngliche praestantia et nobilitas, der Vorrang und Adel des Menschengeschlechts (skizziert in I.15) nicht mehr zum Vorteil. Gott kann mit diesem Menschen nichts mehr anfangen, ‘bis dass Er (Gott) in der Person seines eingeborenen Sohns als Erlöser auftritt.’ Da haben wir dann den Erlöser aus dem Titel des zweiten Buches. Von hier aus, also vom Erlöser und vom tiefen Fall, aus dem er als Retter erscheint, schaut Calvin auf den Stoff des ersten Buches zurück. ‘Nachdem wir also aus dem Leben in den Tod gefallen sind, wäre’ (man achte auf den Irrealis!) ‘die gesamte Erkenntnis Gottes als des Schöpfers’ (der Titel des ersten Buches!) ‘vollkommen nutzlos (sic), wenn nicht der Glaube hinzugekommen wäre, der uns Gott in Christus als Vater vorstellt’. Calvin sagt also: Ich habe nun zwar ein ganzes Buch über die Erkenntnis des Schöpfergottes behandelt, an sich genommen und vom Fall abgesehen ist diese Erkenntnis für uns Sünder vollkommen unzugänglich und könnte ich über diese Erkenntnis in keiner Weise verfügen. Wir kennen den Schöpfer nur als Vater in Christus – und damit scheint die scheinbar lineare und duale Struktur von 1559 doch noch von der Einleitung zur ‘Darlegung des Apostolikums’ von 1539 gelesen werden zu müssen, in der die Erkenntnis Gottes des Vaters in Christus zentral stand.

Denn dies sei ja durchaus die richtige Ordnung, dass die Einrichtung der Welt uns einer Schule der pietas dienen sollte (so in I.5 lebhaft beschrieben), jedoch post defectionem, nach dem Fall, sähen wir die schöne Ordnung nicht mehr, die von Gottes Ehre erzähle, da die gesamte Welt durch unsere Sünde verdorben sei und unsere Seele nur noch voller Verzweiflung sein könne. An sich genommen, losgelöst von Christus, könne die Kenntnis des Schöpfers nur zu einem nagenden Gewissen führen. Das Gesetz sei dann das Gesetz des Urteils, nicht das Gesetz des Lebens, zu dem allein das Evangelium befreien könne. Aufgrund unserer Blindheit seien alle Funktionen unseres Geistes derart eingeschränkt, dass wenn wir von Gott sprächen, dies nur so tun könnten, als dass wir Ihn eher verkennen als erkennen. Dies ist das große prophetische Thema der ‘falschen Religion’ die aus dem wahren Gott einen Abgott mache, welches mit rückwirkender Kraft das eigentliche Hauptthema des ersten Buches zu sein scheint.

Daraufhin zitiert Calvin jenes Pauluswort, das auch in der Introductio zu Melanchthons Loci von 1521 eine Schlüsselrolle einnimmt: 1. Korinther 1:21. Die Erkenntnis der göttlichen Herrlichkeit in der Schöpfung könne, vom gefallenen Menschen aus betrieben, nichts anderes sein als eine gewisse ‘Weisheit’ der Welt, die in der ‘Torheit’ des Kreuzes verurteilt sei. Calvin übernimmt  hier die Begründung, der er auch im Argumentum gefolgt war, der Einleitung zu seinem Genesiskommentar von 1554,[28] in der er sich bereits gerufen fühlte, das Verhältnis der in Genesis 1 beschriebenen Schöpfung zur späteren Erlösung zu durchdenken. Ein Christenmensch nehme die Wirklichkeit aus der Gebrochenheit heraus war, der Schwäche, dem Ort, an dem der schöne Schein verurteilt werde. Das Kreuz des Erlösers möge vor der Welt eine Torheit sein, für uns jedoch sei es der einzige Zugang zu Gott, dem wir entfremdet seien.[29] Post lapsum, nach dem Fall, gebe es keine Gotteserkenntnis absque Mediatore, außerhalb des Mittlers. Und daher gelte entlang der ganzen Linie das Schriftwort: ‘Das ist das ewige Leben: Dich, den einzigen wahren Gott, zu erkennen und Jesus Christus, den Du gesandt hast’ (Johannes 17:3). Der Name Christi taucht im Titel des ersten Buches nicht auf, dieses Versäumnis scheint jedoch im Nachhinein hypothetisch und pädagogisch gemeint zu sein. Calvin wollte seinen Leser mitnehmen auf eine Reise der scheiternden, auf sich allein gestellten Erkenntnis des Schöpfers. Ausgehend von diesem sechsten Kapitel des zweiten Buches, dass als Scharnierkapitel in der Komposition von 1559 dient, muss man mit rückwirkender Kraft feststellen: Im Realis gesprochen, kann für uns die Erkenntnis Gottes nichts anderes sein, als die Erkenntnis Gottes in Christus.

Diskussion der Inhaltsangabe der Institutio von 1559

Wir können nun einen Versuch wagen, zusammengefasst den globalen Inhalt der vier Bücher der Institutio von 1559 uns vor Augen zu führen. Dazu betrachten wir noch einmal das Schema und achten dabei insbesondere auf die Pfeile zwischen der mittleren und der rechten Spalte. Anhand dieser Pfeile können wir nachvollziehen, wie Calvin von den 21 Kapiteln der Institutio von 1543-1554 zu den (18+17+25+20=) 80 Kapiteln der Institutio von 1559 gelangte.

Das I. Buch, Von der Erkenntnis des Schöpfergottes

Dieses Buch steht im Zeichen des biblischen Unterschiedes zwischen dem einen und einzigen Gott sowie den Abgöttern, die Menschen immer wieder fabrizieren. Die ersten 10 Kapitel sind, wie bereits erwähnt, hauptsächlich dem ersten Kapitel von 1554 entnommen: ‘Von der Erkenntnis Gottes’. Das Kap. I.1 behandelt das Verhältnis der Gotteserkenntnis und der Selbsterkenntnis: Dies ist die Einleitung von 1539. Das Kap. I.2 ist neu komponiert und behandelt die – 1559 erstmals explizit formulierte – duplex cognitio Dei, die doppelte Erkenntnis des Schöpfers sowie des Erlösers.[30] Die Kapitel I.3 und 4 behandeln das Gottesbewusstsein, dass in den menschlichen Geist gelegt sei (subjektiv), das Kapitel I.5 die Gotteserkenntnis aufgrund der Einrichtung dieser Welt (objektiv). Die Kapitel I.6-10 machen deutlich, dass das menschliche Wahrnehmungsvermögen zu sehr eingeschränkt sei, um zu dieser Erkenntnis ohne Hilfe und Führung der Schrift zu gelangen (‘allgemeine Lehre von der Schrift’). Die Kapitel I.11 und 12 geben eine sehr kurze Skizzierung des Unterschiedes zwischen dem einen Gott und den Göttern wieder. Hierzu kopierte Calvin einige Passagen aus seiner Erläuterung des ersten und zweiten Gebotes (aus den Jahren 1539-1554 das dritte Kapitel, ‘Vom Gesetz’). Die Tatsache, dass der eine und einzige Gott zugleich dreieinig ist, wird mit Hilfe der Passage untergebracht, die 1554 am Beginn der Erläuterung des Apostolikums im sechsten Kapitel stand – aber, wie bereits gesagt: Dieser Stoff erhält damit keinen Ort, der den gesamten, trinitarischen Aufbau der neuen Institutioerklären könnte. Hierauf folgt im Kap. I.14 die Erläuterung der Arbeit des Schöpfergottes, ebenso aus 1554:6 (die Erläuterung des ersten Artikels aus dem credo), sowie in Kap. I.15 die Behandlung des Menschen in seinem paradiesischen Zustand, die als kurze Passage aus dem alten, zweiten Kapitel ‘Von der Erkenntnis des Menschen’ herausgeschnitten wurde (denn der Mensch geht nicht in seinem sündigen Dasein auf). Die Kapitel I.16 und I.17 schließlich erörtern die Vorsehung, die dem (zweiten Teil) des alten, vierzehnten Kapitels entstammen.

Das II. Buch, Von der Erkenntnis Gottes, des Erlösers

Das zweite Buch handelt vom ‘Gesetz und Evangelium als Zeugnis von Christus’. Die Konstruktion dieses Buches haben wir oben bereits angedeutet. Die ersten fünf Kapitel über den Fall, den sklavischen Willen und die verdorbene menschliche Natur entstammen dem alten, zweiten Kapitel über die Selbsterkenntnis als Erkenntnis unseres Elends. Das soeben besprochene sechste Kapitel schmiedet dieses Traktat über den Fall an das Traktat über das Gesetz fest (das ist das alte Kapitel 3 bzw. die neuen Kapitel II.7-8). Das Kapitel II.9 ist neu verfasst und markiert den Übergang von der Besprechung des Gesetzes zu der des Evangeliums. Darauf folgt in organischer Weise das alte, elfte Kapitel über die Übereinstimmung (II.10) und den Unterschied (II.11) zwischen Altem und Neuem Testament (die ‘eigentliche Lehre der Schrift’[31]). Die Christologie ab II.12 entstammt schließlich überwiegend dem ehemaligen Kapitel 7, das u.a. den zweiten Teil des Apostolikums erläutert.

Das III. Buch, Wie die Gnade von Christus empfangen wird (das Wirken des Heiligen Geistes)

In diesem Buch schlägt das Herz der reformatorischen Botschaft Calvins. Als ‘Theologe des Heiligen Geistes’[32] behandelt er die entscheidende Frage über das Verhältnis von Rechtfertigung und Heiligung, Vergebung und Umkehr, Gabe und Aufgabe, Zuspruch und Anspruch im christlichen Leben. Das Kapitel III.1 über den Geist entstammt der Erläuterung des dritten Teils des symbolum im früheren Kapitel 7. Das Kapitel III.2 – bereits seit langem angekündigt, über den Glauben als Vertrauen in das göttliche Erbarmen, dass der Geist weckt, enthält den Stoff des früheren fünften Kapitels, ‘Vom Glauben’. Darauf folgen in der seit 1539 stets gehandhabten Reihenfolge die zwei Hauptteile, nämlich das über die Buße (oder Wiedergeburt bzw. Heiligung) und das über die Rechtfertigung. Der erste Hauptteil kombiniert zwei frühere Kapitel: III.3-5 entstammt 1554:9, ‘Von der Buße’, und direkt im Anschluss ist III.6-10 dem früheren, ethischen Schlusskapitel entnommen (1554:21, ‘Vom Leben eines Christenmenschen’ wie es aus der Verleugnung seiner selbst besteht, dem Tragen des Kreuzes und dem Bedenken des Lebens im kommenden Zeitalter). Der zweite Hauptteil setzt bei den Kapiteln III.11-18 mit dem früheren Kapitel 10 an, (‘Von der Rechtfertigung’), und fährt äußerst sinnvoll fort mit 1554:12, ‘Von der Freiheit eines Christenmenschen’ – denn wer in Gottes Urteil unverdient freigesprochen wurde, ist tatsächlich frei, worauf dann wieder in sinnvoller Weise 1554:15, ‘Vom Gebet’, anschließt – denn die erste Tat eines freien Menschen ist die freie Anrufung Gottes. Er schließt das Buch mit zwei Komplexen ab, die das christliche Leben auf dieser Erde unter dem Himmel sozusagen in der Ewigkeit verankern. Die Kapitel III.21-24 entstammen 1554:14 (der erste Teil) und behandeln rückwärts gewandt die ewige Liebe Gottes, also den göttlichen Beschluss, seinen auserwählten Menschen, der dieses Leben führt, gratis zu lieben (Prädestination). Das Kap. III.25 entstammt dem Ende des Apostolikums im früheren Kapitel 8 (genau gesehen also das vierte und nicht der dritte Teil des symbolum, hier aber als organischer Schluss der Ausführung): In ihm herrscht in vorwärts gewandter Bewegung die Vorfreude auf die Zukunft eines Christenmenschen in der Auferstehung der Toten und auf das Leben im kommenden Zeitalter.

Das IV. Buch, Wie ein Mensch in die Gemeinschaft von Christus (die Kirche) geladen wird

Der vierte Teil des credo geht Calvin zufolge auf die ‘Verortung’ der Arbeit des dreieinigen Gottes ein. Das weitaus meiste Material für den ersten Hauptteil IV.1-13 entstammt dem langen Kapitel 1554:8, das die Kirche behandelt (jetzt die Kapitel IV.1-2), ihre Regierung bzw. die Ämter im Gegensatz zum entarteten Papsttum (jetzt die Kapitel IV.3-7), ihre Macht bzw. die Befugnis der Konzile, das kirchliche Recht sowie die Kirchenzucht (jetzt die Kapitel IV.8-12, in die das alte, dreizehnte Kapitel ‘Von den menschlichen Traditionen’ als Kapitel IV.10 mit aufgenommen wurde). Den Abschluss bildet das vormals vierte Kapitel über das Mönchsgelübde (jetzt Kapitel IV.13).

Der zweite Hauptteil behandelt die Sakramente. Die alte Reihenfolge konnte hier beibehalten werden. 1554:16 wurde zu IV.14 (‘Von den Sakramenten’), 1554:17 wurde zu IV.15-16 (‘Von der Taufe’, mit einer ausführlichen, antitäuferischen Rechtfertigung der Kindertaufe). 1554:18 wurde zu IV.17-18 (‘Vom heiligen Abendmahl’, mit hohem polemischen Gehalt aufgrund des fortwährenden Abendmahlstreits mit manchen Lutheranern) und 1554:19 wurde zu IV.19 (‘Von den fälschlich so geheißenen Sakramenten’). Als ‘äußerliche Hilfsmittel’ und andere Seite des Wirkens des Geistes würden sie die Gnade in lieblicher Weise herbeibringen.

Als Schlusskapitel blieb 1554:21 über, das nun zu IV.20 avancierte (‘Von der politischen Regierung’). Ebenso wie in der Version von 1536 die letzten Worte der Institutio einem Kapitel gehörten, das sich der Erörterung des Lebens unter einem – manchmal milden, manchmal tyrannischen jedoch immer opportunistischen Fürsten wie Franz I. – widmete, so sollte der Reformator auch in seiner letzten Ausgabe dieses große, systematische Werk den zukünftigen Lesern mit einer Schlussbetrachtung anvertrauen, die daran erinnert, dass man mit diesem Buch den Machthabern aller Zeiten und Orte entgegentreten kann.[33]


[1] Calvin äußert sich so im Vorwort zu seinem Psalmkommentar von 1557, CO 31, (19-35)21.

[2] Vor allem in der älteren Literatur begegnet man der Auffassung, dass Calvin selbst in dieser Rede seine Hände mit im Spiel gehabt habe.

[3] Luthers Schrift ‘Eine kurze Erklärung der zehn Gebote, eine kurze Erklärung des Glaubens, eine kurze Erklärung des Vaterunsers’ war Calvin wahrscheinlich in seiner lateinischen Übersetzung Enchiridion piarum precationum aus dem Jahr 1529 bekannt.

[4] Der Begriff ‘der Glaube’ bleibt näher beim Wortgebrauch von Paulus im Römerbrief als der Ausdruck ‘das Evangelium’, den Luther und Melanchthon verwenden.

[5] Bei Melanchthon kommt dieses erst in der zweiten aetas der Loci vor (dort als Kapitel 23). Das Gebet spielt längst nicht immer eine selbstverständliche Rolle in dem, was wir Dogmatik nennen.

[6] Siehe OS I, 21-36 für den Wortlaut.

[7] Das e coelo, aus dem Himmel, im erwähnten Vorwort zum Psalmkommentar, CO 31, 23.

[8] Jedoch in umgekehrter Reihenfolge: Bei Luther folgten auf die ‘kleine’ Version für die Familie der ‘große’ Katechismus für Unterrichtende, bei Calvin stellte die ‘kleine’ eine zusammengefasste Version der ‘großen’ (Institutio) dar.  Siehe OS I, 378-417 für den Wortlaut.

[9] Eine rhetorische Analyse bietet Serene Jones, Calvin and the Rhetoric of Piety, Louisville 1995, 87-120.

[10] Aus Behutsamkeit haben die lutherische als auch die anglikanische Reformation an der Tradition der Evangeliumsperikopen für die einzelnen Sonntage festgehalten. Aber das Ideal bestand darin, ganze Bibelbücher von Anfang bis Ende mit der Gemeinde durchzugehen.

[11] Dies wird nachdrücklich betont von Richard A. Muller, The Unaccommodated Calvin. Studies in the Foundation of a Theological Tradition, New York/Oxford 2004.

[12] OS III, 5-8.

[13] F.H. Breukelman, De structuur van de heilige leer in de theologie van Calvin (“Die Struktur der Heiligen Lehre in der Theologie Calvins”), Bijbelse Theologie IV/1, redigiert von Rinse Reeling Brouwer,Kampen 2003, 22 und erläutert auf den Seiten 264-269.

[14] Calvin führte einen Disput mit seinem älteren Freund und Kollegen Bucer über die Frage, wie Jesu Worte aus Mk. 1:15 par. verstanden werden müssten: ‘Das Königreich Gottes ist nahe, bekehrt euch und glaubt an das Evangelium’. Erfordere dieses zunächst einen Neubeginn im Leben (Buße, Umkehr) und, wenn diese geschehen ist, den Glauben? Oder verhalte es sich umgekehrt und ist es der Glaube, der auf die Nähe des Königreiches vertraut und daher aus sich selbst heraus eine Umkehr einfordert? Calvin meinte letzteres und setzt daher ‘die Buße’ hinter ‘den Glauben’ als dessen erste Frucht (vgl. Inst. 1559: III.3.1-5, diskutiert bei M. den Dulk, …Als twee die spreken. Een manier om de heiligingsleer van Karl Barth te lezen, (“…Als wenn zwei sprächen. Eine Lesart der Heilungslehre von Karl Barth”), ’s Gravenhage 1987, 23-36). Dies dürfte der Grund sein, dass er im revidierten Katechismus von 1542 den Abschnitt ‘Vom Gesetz’ nicht länger voranstellt, sondern auf den Abschnitt ‘Vom Glauben’ folgen lässt: Die Lebensheiligung eines Christen entspringe dem Bereich des Glaubens; siehe OS II, (59) 75-144.

[15] Von 1539 bis 1554 folgt auf die Behandlung der Prädestination im gleichen Kapitel die Behandlung der  providentia, der Vorsehung: Aus dem gesonderten Handeln Gottes an seinem Bundesvolk resultiert sein Umgang mit der Kreatur im Allgemeinen. In der schlussendlichen Ausgabe von 1559 geht dieser Zusammenhang weniger klar hervor.

[16] Zeit seines Lebens waren es 25.

[17] Siehe in diesem Schema, wie die Kapitel 6 bis 8 in der Ausgabe von 1543 den zuvor kohärenten Zusammenhang der dann entstehenden Kapitel 5, 9 und 10 stören.

[18] OS III, 5 r. 13-15; vgl. Breukelman 2003, a.w. 27.

[19] Und das ohne die modernen Hilfsmittel der Textverarbeitung!

[20] I. ‘De cognitione Dei Creatoris’; II. ‘De cognitione Dei Redemptoris in Christo, quae patribus sub lege primum, deinde et nobis in evangelio patefacta est’; III. ‘De modo percipiendae Christae gratiae, et qui inde fructus nobis proveniant, et qui effectus consequantur’; IV. ‘De externis mediis vel adminiculis quibus Deus in Christi societatem nos invitat et in ea retinet’.

[21] Zu Calvins Verhältnis gegenüber dem Dogma der alten Kirche siehe J. Koopmans, Het oudkerkelijk dogma in de reformatie, bepaaldelijk bij Calvin („Das altkirchliche Dogma in der Reformation, speziell bei Calvin”), Wageningen 1938 (Fotomechamischer Neudruck, Amsterdam 1983).

[22] Es ist merkwürdig, dass der Heilige Geist, dessen Wirken dieses Buch doch behandelt, nicht im Titel genannt wird (der dann aber sofort im grundlegenden, ersten Kapitel dieses Buches zur Sprache kommt).

[23] Calvin beendet die Behandlung der Trinität 1559 ungefähr im 13. Kapitel des ersten Buches. Entsprechend seiner Vorgehensweise aus den Jahren 1537, 1539 und später hätte es eher auf der Hand gelegen, die Trinitätslehre nun wieder strukturbestimmend der Behandlung des credo voranzustellen. Tatsächlich geht Calvins Nachfolger Theodore de Béze in seinem Compendium doctrinae christianae so vorgehen, das er 1562 (!) als Glaubensbekenntnis für die Reformierte Kirche in Ungarn schrieb, sich als solches nicht durchsetzte. Die Einteilung dieses Bekenntnisses weist die folgenden Kapitel auf: I. Die Dreieinigkeit, II. Gott, der Vater, III. Jesus Christus, der eingeborene Sohn, IV. der Heilige Geist, V. die Kirche, VI. Das jüngste Gericht. Die Teile II bis V korrespondieren also mit den vier Büchern der Institutio von 1559, Teil I wird als Einleitung vorangestellt und Teil VI folgt als Epilog. Mit diesem letzten Teil löst Beza gleichzeitig auch ein weiteres Problem des Aufbaus der Institutio von 1559: Calvin nämlich behandelt die Auferstehung der Toten als Abschluss des III. Buches, Vom christlichen Leben, obwohl diese doch im Credo auf das credo ecclesiam folgt, dem das IV. Buch gewidmet ist. Siehe Bezas Wortlaut in E.F.K. Müller, Bekenntnisschriften der reformierten Kirche, Leipzig 1903, 376-449.

[24] Im Jahr 1543 (siehe das ‘deutsche’ Schema): ‘Von der Erkenntnis Gottes, die das erste Prinzip der Religion ist; sowie die Frage, woraus das wahre Prinzip gewonnen werden kann [gemeint ist: aus der Schrift]’.

[25] Melanchthon will im Locus 10 der tertia aetas nur vom ‘Unterschied’ zwischen  beide Testamenten wissen und schweigt über die Übereinstimmung zwischen beiden. Diese Verschiebung zwischen den zwei Freunden kennzeichnet sowohl die Theologie Melanchthons, als auch die Calvins.

[26] Das Kapitel II.17 wurde 1559 anlässlich einer Polemik mit Lelio Sozzini neu geschrieben.

[27] Daher die Fortsetzung des Buchtitels: ‘(Von der Erkenntnis Gottes als des Erlösers in Christo,) wie sie zuerst den Vätern unter dem Gesetz, alsdann auch uns im Evangelium offenbart worden ist’.

[28] CO 23, 5-12; P. Barth und W. Niesel versäumen es, diesen Hinweis im kritischen Apparat der OS hierselbst zu vermerken.

[29] Hier kann an den großen friesischen Theologen Oepke Noordmans als authentischen Calvininterpreten in seiner Abhandlung über das Verhältnis von Schöpfung und Kreuz erinnert werden: Herschepping („Neuschöpfung“), Zeist 1934 (jetzt in Verzamelde Werken 2 („Gesammelte Werke 2“), Kampen 1979). Dieses Motiv wurde in Richtung der Befreiungstheologie von L.R. Lekula Ntoane aufgegriffen: A Cry for Life. An Interpretation of “Calvinisme” and “Calvin”, Kampen 1983.

[30] 1952 erschienen hierzu zwei Studien mit unterschiedlichen Ergebnissen: E.A. Dowey Jr. las in seinem Buch The Knowledge of God in Calvin’s Theology (New York) die Institutio aus der Perspektive der historica series, T.H.L. Parker in Calvin’s doctrine of the Knowledge of God (Edinburgh) aus der Sicht der trinitarisch-christologischen Konzentration.

[31] Mit dem Duo ‘Gott, der Schöpfer – Gott, der Erlöser’ korrespondiert also der Dual ‘Allgemeine Lehre der Schrift – eigentliche Lehre vom Glauben’: Ebenso wie das Wissen von Gott weist auch die Annäherung an die Schrift diesen Dual auf.

[32] Klassisch ist die Studie von Werner Krusche, Das Wirken des Heiligen Geistes nach Calvin, Göttingen 1957.

[33] Derselbe Jan Koopmans, der 1938 über Calvin promovierte, sollte im Herbst 1940 das flammendste Protestschreiben verfassen, welches gegen den Verrat von jüdischen Mitbürgern durch Unterzeichnung der sogenannten ‘Ariererklärung’ überliefert ist: Bijna te laat! („Fast zu spät!“).

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R.H. Reeling Brouwer

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